
UND JETZT, BOBKOWSKI?
Multimediales Webprojekt, Polen/Frankreich, 2014 – von Angelika Herta und Filip Jacobson
Gefördert durch das Programm „Młoda Polska” des Polnischen Ministeriums für Kultur und nationales Erbe Partner: Arte Creative, CiS Verlag, Institut Littéraire Kultura/ Maisons-Laffitte, Karolina Galuba/ Dzika plaża TV & Film Production, Anna Kosińska/Animation, Polska the best, Institut Polonais Paris
Vier Monate lang folgten wir auf unseren Fahrrädern der Spur, die der polnische Schriftsteller Andrzej Bobkowski 1940 auf seinem Fahrrad quer durch Frankreich gezogen hat. Die Filme, die auf der Fahrradtour entstanden sind, stehen in unmittelbarem Dialog mit dem Tagebuch des Schriftstellers, dokumentieren unsere Reise, unseren Alltag und Begegnungen mit Menschen. Die Webdoku ist ein Experiment, Literatur zu erleben und dabei spontan und ständig in Bewegung zu sein.
30. August (aus Bobkowskis Tagebuch 1940)
„Wir haben die Route für die Rückreise festgelegt. Carcassonne – Nizza, 570 Kilometer. Die ganze Zeit an der Küste entlang. In Bandol will ich zur Villa „Pauline“ fahren, um den Schatten von Katherine Mansfield zu besuchen. Ich würde jetzt viel für ihre „Briefe“ geben. Von Nizza wollen wir dann in die Alpen fahren.
Bis dahin ruhen wir uns aus und essen von früh bis spät. Ich habe vermutlich schon das halbe Faß Oliven leergegessen, das bei meiner Zauberin in einer Ecke steht. Gegen Abend fahren wir zum Training Rad, damit die Beine nicht steif werden. (…)
Am Nachmittag ruft mich die Patronin des Cafés: „Monsieur Bonbonski, une dépêche pour vous.“ („Herr Bonbonski, ein Telegramm für Sie!“) Aha – Robert hat ein Telegramm geschickt. Ich reiße das Telegramm auf – wir müssen zurück, die Fabrik wird liquidiert. Ich setze mich mit Tadzio auf die Veranda, und wir blicken traurig in den Himmel. Wir sind beide nach wie vor hier, sehnen uns jedoch schon jetzt nach Gruissan. Eine Sehnsucht auf Vorrat. Das Wetter ist gerade wunderschön geworden. Die Sonne scheint, und vom Meer her weht eine ganz leichte Brise. Da kann man nichts machen; heute hat es keinen Sinn mehr abzufahren, und morgen ist Sonntag, unsere Bude ist also ohnehin zu. Morgen machen wir Abschiedsbesuche, packen unsere Siebensachen zusammen. (…)
Am Abend ein Abschiedsrum und eine Abschiedspartie Schach im Café am Kanal.”
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